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KONVERSATIONEN # 1

Wir dokumentieren hier eine Unterhaltung zwischen @anarchocompass und unserem Mitglied Jim Igor (der für sich und nicht die Kampagne im Ganzen spricht) über unsere Nähe und Offenheit gegenüber dem organisierten Anarchismus.

@anarchocompass

Hi, ich find’s sehr spannend, wie eure Praxis exakt solche sind, wie wir (organisierten) Anarchisten sie ausüben – Institutionelle, revolutionäre Gegenmacht aufbauen. Was mich aber interessiert ist, ob es bei euch noch nennenswerte andere Unterschiede zu Anarchisten gibt, außer dass ihr eine Partei fordert. Ihr sagt ja außerdem auch, dass die Partei letztlich die Revolution anführen soll, und damit meint ihr auch eine politische Führung, nicht nur eine ideologische.
Da stellt sich mir die Frage: Wollt ihr denn im Falle einer Machtübernahme dann entgegen der von euch aufgebauten selbstverwalteten Institutionen und Strukturen Politik über die Masse hinweg machen? Oder anders gefragt: Wie stellt ihr euch das vor, dass die Partei nicht wieder korrumpieren würde und ein Staat ohne jegliche Mitbestimmung seitens der Arbeiterklasse entsteht, so wie es bei den meisten „sozialistischen“ Staaten bisher passiert ist?

Jim Igor



Hi, ich heiße Jim Igor und bin Mitglied der Kampagne – ich sage es so, weil wir weder eine „PR-Abteilung“, noch eine einheitliche Antwort auf die Frage haben. Ich freue mich über die Frage besonders, weil ich tatsächlich, wie Du sagst, denke, dass wir in vieler Hinsicht mehr mit Anarchisten teilen als mit dem, was sich heute so sozialistisch oder kommunistisch nennt. 


Zentral für das, was wir Partei nennen (und glauben, aus der Vergangenheit der sozialistischen Bewegung davon erhalten zu wollen), ist die vermittelnde Rolle der verschiedenen, unabhängigen Kämpfe auf den Sozialismus als Ziel. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die wir aufbauen und unter denen wir uns auch etwas wie Gegenmacht vorstellen, sollen organisatorisch und ideologisch völlig unabhängig von uns als sozialistischer Organisation sein, wir streben deshalb auch etwa bei der Lernhilfe oder der Mietergewerkschaft an, dass sie eigene Vereine mit entsprechend eigenem Vorstand gründen.

Wir wollen dadurch die Trennung von politischer und sozialer Aktion klar halten: in den zivilgesellschaftlichen Organisationen sind wir als Sozialisten ebenso aktiv wie Leute, die grüne Bürgis, Anarchisten oder Christen sind, es gibt keinen und soll auch keinen sozialistischen Konsens geben. Es werden allerdings, falls es gelingen sollte, tatsächlich eine aktiv selbstorganisierte Zivilgesellschaft aufzubauen, verschiedene politische Organisationen um die Führung darin ringen: die Linkspartei versucht jetzt schon, unsere Erfolge für sich zu vereinnahmen und je erfolgreicher wir sind, desto mehr Linke werden versuchen, dem ihren Stempel aufzudrücken. Das ist die Situation, die wir hervorbringen wollen und in der wir dann als Kampagne agieren werden mit dem Ziel, die politische Unabhängigkeit dieser Projekte zu erhalten. Doch dafür glauben wir, braucht es eine organisierte Kraft.

Zweitens glauben wir eben, dass die einzelnen, politisch unabhängigen Projekte an einem Punkt gebündelt werden müssen und politisch geführt werden müssen, insofern als sie aus sich heraus nicht den Zweck in sich tragen, den Kapitalismus zu überwinden und auf dem Gebiet des Staates zu handeln. Es gibt keinerlei Garantie gegen die Korrumpierung. 

Ich denke aber, dass das beste Mittel dagegen die unabhängigen, selbstbewussten und kämpfenden zivilgesellschaftlichen Organisationen sind, die sich nicht vereinnahmen lassen dürfen und die wissen, wie mit einer korrumpierten Parteiriege umzugehen ist. Wir müssen selbst die Strukturen schaffen, die die Massen gegen die Regierung, auch eine sozialistische, stärken.
Aber das ist soo weit weg, dass diese Gedanken eher phantastischen Charakter haben. Zunächst hat die KSP keine andere Aufgabe, als zivilgesellschaftliche Selbstorganisation voranzutreiben, zu initiieren und auszuprobieren und darin für die Notwendigkeit des Sozialismus zu werben, damit die Probleme tatsächlich gelöst werden können. Dabei ist die nicht-Identität von sozialer und politischer Aktion, also die Unabhängigkeit der Organisierungen der Zivilgesellschaft und Gegenmacht von der KSP und jeder politischen Führung, immer unser erstes Prinzip.

@anarchocompass

Das hört sich echt spannend an und ich freue mich tatsächlich, dass es aus dem marxistisch bzw. partei-sozialistischen Lager dort euren Ansatz gibt. Ich selbst bin zwar nicht aus dem Lager, aber denke selber auch, dass euer Ansatz der beste ist und wünsche euch auf eurem Weg sehr viel Erfolg, weil ich glaube, dass zwischen uns organisierten Anarchisten und euch ein gutes praktisches Bündnis entstehen kann, wenn es denn lokal vorkommt, dass wir an der selben Sache arbeiten. Liebe Grüße!

Jim Igor



Ja, das wünsche ich mir!

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